Googles Loon – Ballon oder Seifenblase?

BallonGoogle hat letzte Woche in Neuseeland sein Projekt “Loon” vorgestellt. Es ist allerdings ziemlich “looney”, auf deutsch verrückt. Welche Realisierungschancen hat es?

Doch zunächst in aller Kürze: Was ist Googles Loon eigentlich?

“Loon” ist der englische Name für eine Vogelart, für den Taucher, zum Beispiel den Prachttaucher oder den Eistaucher (arctic loon, common loon). Mit “loon” werden  außerdem Spinner, Verrückte bezeichnet.

Schließlich: es ist die zweite Silbe von “balloon” – und das ist wohl die entscheidende Herleitung in diesem Fall.

Google plant nämlich ein weltumspannendes Netz von Ballons, die in rd. 20km Höhe fliegen und den ganzen Globus an das Internet anschließen. Nach Googles Berechnungen haben erst rund ein Drittel der Menschheit Internetzugang, nun soll “der Rest” erschlossen werden.

Für dieses Ziel spricht in der Tat einiges, insbesondere der umfassende Zugang zu Bildungsangeboten und medizinischer Versorgung, verbesserte Frühwarnsysteme wie auch Hilfe-Organisation bei Naturkatastrophen, aber auch Hilfen für Farmer und Fischer.

Dass das Projekt für Google kommunikativ wichtig ist, kann man diesem nett gemachten Video-Clip ansehen.

Ansätze dieser Art gab es schon einige, aber das Problem der richtigen und stabilen Sender-Positionierung für eine echte Flächendeckung konnte bisher nicht befriedigend gelöst werden. Google hat nun den Ansatz gewählt, so viele Ballons steigen zu lassen, dass man ihre Drift, verursacht durch Höhenwinde, in Kauf nehmen kann.

Durch Auf- und Ab-Mannöver kann man jeden Ballon zudem in “günstige” Windströmungen steuern, den Rest macht dann die Natur.

Eine erste Pilot-Installation gibt es anscheinend schon über Neuseeland, weitere sollen folgen. Google sucht zudem Partner für dieses gigantische Projekt. Theoretisch müsste die ganze Internetbranche mit Begeisterung auf dieses Pferd springen, denn neben allen humanistisch-idealistischen Nutzen wird auf diesem Weg ja auch ganz nebenbei der Markt verdreifacht….

Ein wenig skeptisch bin ich indessen doch, ob das wirklich funktionieren kann. Hier meine Bedenkenträger-Gründe:

  • Projekte dieser Art neigen immer dazu, massiv teuerer zu werden, als geplant. Da muss gar nicht Mismanagement im Raum sein. Die Technik ist einfach zu innovativ, als dass man alles schon absehen kann. Wird der finanzielle Atem über den langen Entwicklungs- und Realisierungs-Zeitraum reichen? Werden die Google-Aktionäre das Projekt noch tragen, wenn mehrere Jahre die Dividende ausbleibt?
  • Kann man die Fachkompetenz für so ein Megaprojekt wie eine Top-Fussball-Mannschaft zusammenkaufen? Das “normale” Google-Management kann doch gar keine Ahnung von dem Thema haben, diese Leute wurden anders rekrutiert und ausgebildet, haben komplett andere Erfahrungen gemacht. Ohne nachhaltiges und intern bis in die Spitze durchsetzungsfähiges Involvement von NASA-like Kompetenzen wird innerhalb Google der Schwanz den Hund wackeln.
  • Neuseeland ist im Boot, schön. Aber auch China, Iran und Russland? Nach meinem mit Wikipedia aufgebrezeltem Laienverständnis ist der Luftraum bis ca. 100km Höhe Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates “dadrunter”. Die werden sicher nicht alle von der Idee begeistert sein.
  • Wenn die Position der Ballons zu großen Teilen vom Spiel der Winde abhängt, wie sicher sind dann die Flüge, die die geplante 20km-Zone durchqueren wollen? Es ist ja wohl davon auszugehen, dass dieser Verkehr deutlich zunimmt. Bei der 10-12 km-Zone der “klassischen Luftfahrt” wird es jedenfalls absehbar nicht bleiben.
  • Wird mit dieser Technik die Grundlage für eine noch nachhaltigere Ausrottung der Fischbestände und eine generelle Erschöpfung der Boden-Ressourcen gelegt? Das Risiko ist sicher gegeben. Werden Greenpeace und Co. hier die Füße still halten oder umgekehrt: wieviel blockierenden öffentlichen Gegenwind löst das Projekt aus?

Loon sieht für mich darum mehr nach Marketing aus als nach echter Lösung – obwohl der Ansatz sicher Vieles für sich hat. Meine Erwartung: die nächsten 10 Jahre wird Google hier ordentlich Geld reinpumpen und am Ende nicht wirklich das Ziel erreicht haben, weltumspannend zu sein.

Immerhin: wenn es gelänge, auf diesem Weg zumindest Afrika wieder Anschluß an die Weltentwicklung finden zu lassen, wäre ja auch schon etwas gewonnen…blister in the sun

Kommentare zu diesem Thema sind (wie immer) sehr willkommen!

 

photo by: marfis75
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Gründer und CEO von Vianova-Company

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